Ergonomie am Arbeitsplatz als Vorbeugung gegen Haltungsschäden.
Ergonomie gegen Haltungsschäden.
Aktuell sind Rückenschmerzen - neben COVID-19-Symptomen - die häufigste Einzeldiagnose, die zu krankheitsbedingten Fehlzeiten führt. Vor der Pandemie verursachten Muskel-Skelett-Erkrankungen als mögliche Folge von Fehlhaltungen in fast allen Branchen der deutschen Wirtschaft die meisten Fehltage. Im Jahr 2019 umfasste der krankheitsbedingte Ausfall je nach Branche insgesamt 14 bis 21 Fehltage pro Fall. Ursachen für die Haltungsschäden, die sich unter anderem in Nacken- und Rückenschmerzen äußern, haben ihren Ursprung vor allem in unzureichenden ergonomischen Maßnahmen am Arbeitsplatz.
Das Konzept der Ergonomie beschreibt die optimale wechselseitige Anpassung zwischen dem Menschen und seinen Arbeitsbedingungen, wobei man hier vor allem von einer Anpassung der Arbeitsbedingungen an den Menschen ausgeht.
Die Ergonomie umfasst dabei nicht nur die richtige Körperhaltung am Arbeitsplatz, sondern weitreichende Aspekte der Physiologie, Kognition und Organisation.
"Du bist so alt wie Deine Wirbelsäule beweglich ist." - Chinesisches Sprichwort
Unnatürliche Körperhaltungen im Büro führen zu einer erhöhten Belastung Deiner Wirbelsäule, Fehlfunktionen des Zentralen Nervensystems sowie Störungen der Blutzirkulation. Die damit einhergehende Beeinträchtigung der Sauerstoffversorgung im Gehirn führt zu Einschränkungen Deiner kognitiven Leistungsfähigkeit, was sich unmittelbar auf Deine Arbeitsergebnisse auswirkt.
Das richtige ergonomische Setup.
der Kopf und der Nacken bilden eine gerade Verlängerung der Wirbelsäule.
der Nacken und die Schultern sind entspannt.
die Ellenbogen sind nah am Oberkörper und zwischen 90 und max. 120° gebeugt. Die Höhe des Tisches ist dementsprechend angepasst.
der Monitor ist ca. 50 bis 70 cm von den Augen entfernt und leicht nach hinten gekippt.
die Oberkante des Monitors ist in etwa auf Augenhöhe, sodass der Kopf nicht gehoben bzw. der Nacken nicht gebeugt werden muss.
die Handgelenke und die Hände bilden eine gerade Linie und stehen in etwa parallel zum Boden.
Vielsitzen führt zu Einschränkungen der Blutzirkulation.
Männliche Radsportler, bei denen durch das lange Sitzen auf einem Fahrradsattel die Durchblutung des Gewebes rund um das Schambein beeinträchtigt wird, weisen eine hohe Anfälligkeit für erektile Dysfunktionen, Impotenz und Hodenkrebs auf.
Bei weiblichen Radsportlern stellte man als Folge einer eingeschränkten Durchblutung des das Schambein umgebenden Gewebes die Gefahr der Abnahme der taktilen Sensitivität im äußeren Bereich des Geschlechtsorgans fest.Bereits ein federleichter Druck auf Deinen Handrücken kann die unter der Haut verlaufenden Blutgefäße teilweise blockieren. Auf der Arbeit sitzt Du mit der Last Deines Körpergewichts auf Deinem Gesäß und dem das Schambein umgebenden Gewebe, was zu einer erheblichen Einschränkung der Durchblutung führt.
Da das Gewicht des Oberkörpers beim Sitzen eine Vielzahl von Nerven und Blutgefäßen in den Oberschenkeln, dem Gesäß sowie der Beckengegend und den Genitalien zusammendrückt, ergeben sich durch diesen für das Nervensystem höchst unvorteilhaften Umstand eine Vielzahl potenzieller Gesundheitsrisiken. Schon das Sitzen mit übereinander geschlagenen Beinen trägt dazu bei, dass die Blutzirkulation der betroffenen Regionen erheblich eingeschränkt wird.
Die Auswirkungen auf den Hormonhaushalt.
Deine Körperhaltung wirkt sich nicht nur auf Dein Muskel-Skelett-System und Deine Blutzirkulation sondern auch auf Deinen Hormonhaushalt aus. Demnach führt eine Veränderung der Körperhaltung bereits nach zwei Minuten zu einer Veränderung der im Blut gemessenen Hormon-Level. Sogenannte Power Positions können zu einem Anstieg des Testosteron- und einer Reduzierung des Cortisiol-Levels führen. Darüber hinaus gehen die Power Positions mit einer Erhöhung des Grades der Kompetenz einher, die man einer Person beimisst. So ist die wahrgenommene Kompetenz bei Personen mit einer offenen und aufrechten Körperhaltung höher als bei Personen mit einer gestauchten und verschränkten Körperhaltung.
Gesundheitsrisiken des Sitzens minimieren.
So kannst Du Gesundheitsrisiken, die durch langes Sitzen hervorgerufen werden, minimieren:
variiere die Positionen, in denen Du arbeitest und arbeite zunehmend stehend
stelle einen Timer, um regelmäßig aufzustehen
nutze einen Activity Tracker oder eine App, um an Pausen erinnert zu werden
führe eine aktive Bewegungspause durch
wenn Du im Sitzen arbeitest, so achte bewusst auf Deine Körperhaltung
steh auf und beweg Dich während Du telefonierst
vereinbare Walking Meetings
Im Stehen arbeiten.
Die Aufmerksamkeit nach Stehschreibtischen steigt, seit im Jahr 2005 die Gesundheitsrisiken des Sitzens zunehmend öffentlich diskutiert werden. Vorteile von höhenverstellbaren Stehschreibtischen liegen unter anderem in der Steigerung des Kalorienverbrauchs bei gleichzeitiger Verbesserung der Zirkulation des Blutkreislaufs und des lymphatischen Systems. Das Arbeiten im Stehen bringt eine Vielzahl von gesundheitlichen Vorteilen mit sich, sollte jedoch gerade durch diejenigen, die bisher überwiegend sitzend gearbeitet haben, systematisch eingeführt werden.
Step by step.
Solltest Du bisher Deinen gesamten Arbeitstag sitzend verbracht haben, so gehe zunächst schrittweise an eine stehende Arbeitsposition heran. Um angemessen zu starten, kannst Du zu Beginn für die Hälfte Deiner Arbeitszeit stehen. Arbeite dazu 30 Minuten lang in einer stehenden Position, um danach wieder in eine sitzende Position zu wechseln. Steigere schrittweise die Zeit, in der Du stehst und minimiere die Zeit, in der Du sitzt, bis Du Deinen Arbeitstag überwiegend stehend gestalten kannst. Achte dabei unbedingt auf die Signale Deines Körpers, denn auch exzessives Stehen kann physiologische Schäden verursachen.
Gesundheitliche Vorteile durch Stehen.
Arbeiten im Stehen führt nachweislich zu zahlreichen gesundheitlichen Vorteilen:
Reduzierung der Tendenz, unter Nacken- und Rückenschmerzen zu leiden
Reduzierung der Gefahr, Übergewicht zu entwickeln
Reduzierung der Gefahr von kardiovaskulären Erkrankungen und Diabetes
Senkung der wahrgenommenen Erschöpfung
Erhöhung des subjektiven Wohlbefindens
verbesserte Regulierung des Blutzuckerspiegels
Richtiges und bewusstes Stehen.
Richte Deine Füße so aus, dass Deine Zehen gerade nach vorne zeigen und Deine Fußflächen fest auf dem Boden aufliegen. Spanne gleichzeitig Dein Gesäß leicht an und kontrahiere Deine Bauchmuskulatur, um eine stabile und kontrollierte Haltung aufrechtzuerhalten. Eine regelmäßige und bewusste Übung dieser Haltung führt zunehmend dazu, dass Dein Stand stabiler und das Stehen für Dich angenehmer wird.
Abwechslung durch aktive Pausen.
Wenn Du im Stehen arbeitest, dann probiere die folgenden Übungen aus, um Deine aktive Pause zu gestalten:
rolle Deine Schultern abwechselnd vor und zurück dadurch lockerst Du Deine Nacken- und Schulter-Muskulatur
stehe auf einem Fuß und halte das Gleichgewicht dadurch trainierst Du Deine koordinativen Fähigkeiten und Deine Konzentration
führe Kniebeugen durch dadurch stärkst Du Deine Beinmuskulatur und regst die Durchblutung an
halte die Kniebeuge-Position für einige Sekunden dadurch stärkst Du Deine Beinmuskulatur und regst die Durchblutung an
schüttle Deine Arme und Beine aus dadurch förderst Du die Durchblutung Deiner Gliedmaßen
Klopfe angespannte Muskulatur ab dadurch senkst Du die Spannung in Deiner Muskulatur
Quellen
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